Im Rahmen dieser Gesprächsreihe war am 21.11.2018 Dr. Heinz Fischer zu Gast in der Kirche am Keplerplatz – aus Gerechtigkeit, wie er gleich zu Beginn sagte, weil er im letzten Jahr in der evangelischen Kirche in Ottakring gewesen war.
In seinem Impulsvortrag ging Fischer auf das Gedenkjahr 2018 ein:
1848: Märzrevolution
1918: Gründung der ersten Republik und Einführung des Wahlrechts für Frauen:
1938: Anschluss Österreichs an Deutschland
1948: Deklaration der MenschenrechteFischer gab einen kurzen Überblick über die Geschichte, beginnend mit der Märzrevolution 1848, weil ab da, wie er sagte, die Veränderung des Gedankenguts der Gesellschaft nicht mehr umkehrbar war:
politische Ziele waren unter anderem: gewählte Volksvertretungen statt monarchistisch-absolutistischer Regierungen, die Garantie der Pressefreiheit,….
soziale Ziele dieser Revolution: Gleichstellung aller Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die Besserstellung aller Fabrikarbeiter und Arbeiterinnen, …
All diese Forderungen waren auch nach dem 1. Weltkrieg, der eine unermesslich hohe Zahl an Opfern gefordert hatte, noch immer nicht erfüllt.
Die erste Zeit der ersten Republik war, wie er augenzwinkernd sagte, eine typische österreichische Lösung, der Kaiser noch in der Hofburg, die gewählten Volksvertreter schon im Amt.
In dieser Zeit der jungen Republik geschahen die Fehler des einander Übertrumpfen Wollens, gegeneinander und nicht miteinander Arbeiten. Daraus haben die Regierungen gelernt, als nach der dunkelsten Zeit in der Geschichte unseres Landes die zweite Republik gegründet wurde. Es wurde das Zusammenarbeiten für das Land in den Vordergrund gestellt, Sozialpartnerschaft aufgebaut als eine der wichtigsten Säulen.
Nach dem geschichtlichen Überblick wandte sich Fischer den „brennenden Fragen“ unserer Zeit zu, die er mit den 17 Zielen der Vereinten Nationen gleichsetzt. Daran zu arbeiten ist unser aller Auftrag. Besonders hob er hervor:
· Vermeidung des Krieges: Leider wird Krieg immer noch als ein Instrument zur Lösung von politischen Konflikten gesehen.
Hier zitierte er Willi Brandt: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“.
· Kampf gegen Hunger und Armut
· Ermöglichen von Bildung für alle Kinder und Jugendlichen
· Zugang zu Trinkwasser
· Klimaschutz
Nach dem sehr kurzweiligen Vortrag war Moderator Hubert Arnim Ellissen am Wort bzw. am Mikrophon, um „ins Gespräch zu kommen“ – wie es ja im Thema der Reihe heißt.
Sein Einstieg war die Frage, die man allerorten und zu allen Zeiten hören kann: Wie ist das mit den Flüchtlingen, die nach Europa, nach Österreich kommen, wobei jetzt schon das Gefühl entsteht, dass mehr von ihnen Österreich verlassen als ankommen.
Fischer: Es gibt leider die Tendenz im Menschen, sich vor Fremdem und Fremden zu fürchten und es abzulehnen. Wir fühlen uns unter Gleichgesinnten wohler, gleiche Kultur, gleiche Religion, gleiche Sprache, … das macht uns Menschen sicher. Wobei er am Christentum immer schon faszinierend fand, dass es sich genau dagegen gestellt hat. Dass die Kultivierung dahin ging, dass alle Menschen die gleiche Würde haben – ein Grundsatz, der auch der Demokratie zugrunde liegt.
Wenn aber diese Angst politisch verstärkt wird, ja sie ausgenutzt wird, ist das befremdlich und wird gefährlich. Auch die Verhärtung in der Sprache, Fremdenfeindlichkeit als politisches Instrument ortet Fischer als Gefahr.
Er ist sich bewusst, dass im Wahlkampf immer auch Angstmache eine Rolle gespielt hat – in der zweiten Republik man darauf achtete, das zu verändern – und jetzt wieder verstärkt Schritte in diese Richtung gehen.
Auf die Frage, was denn Bürger und Bürgerinnen tun können, um dieser Verhärtung entgegenzutreten, antwortet er: Das Denken „der Zweck heiligt die Mittel“ ist es, wogegen Menschen sich stellen müssen. Es ist das ein moralisches Problem. Menschen müssen den Mut haben, dagegen aufzustehen – alle, in Regierungen aber auch Bürger und Bürgerinnen.
Nach seinen Erwartungen an die Pfarre als Gesinnungsgemeinschaft gefragt, erzählt er erst, dass aus seiner Maturaklasse 5 Priester hervorgegangen sind, ihn mit Kardinal König eine tiefe Freundschaft verband. Er setze seine großen Hoffnungen auf die Zivilgesellschaft und in den Journalismus. Menschen, die sich einsetzen für andere, Menschen, die Einfluss nehmen können auf andere, Menschen, die hinschauen und sich gegen Ungerechtigkeiten stellen – darin sieht er die Zukunft.
Barbara Radlmair, Photos: Peter Puschner, Peter Huber